Die unerwartete Artenvielfalt der Gattung Phoxinus (Leusciscidae) in Österreich – ein perfektes Beispiel für die Vor- und Nachteile der Barcoding-Region COI für die taxonomische Nutzung
Kleinfische der Gattung Phoxinus (Leusciscidae) bewohnen vielfältige Lebensräume, wie Gebirgsbäche, Tieflandflüsse sowie verschiedene Arten von Seen. Während anfangs mehrere Arten beschrieben wurden, wurden sie anschließend unter einer weit verbreiteten Art, Phoxinus phoxinus (Elritze oder auch Bitterfrisch), vereint. Über ein Jahrhundert lang blieb die Taxonomie unverändert, bis morphologische Studien mehrere Arten neu bzw. erneut beschrieben. Anschließende molekulare Studien (meist basierend auf der Barcoding-Region der cytochrome oxidase I (COI)) zeigten eine unerwartete Artenvielfalt der Gattung auf. Heute ist Phoxinus phoxinus ein Artenkomplex, der 23 genetische Linien umfasst, von denen dreizehn als gültige Arten gelten.
Ähnlich wie im restlichen Europa ging man auch in Österreich von einer Besiedlung mit P. phoxinus aus. Genetische Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass drei weitere Arten in österreichischen Gewässern leben, nämlich P. csikii, P. lumaireul und P. marsilii. Außerdem konnten drei Sublinien von P. lumaireul identifiziert werden. Es war jedoch nicht klar, welche der Linien bzw. Arten natürlich vorkommen und welche eingeschleppt wurden. Daher wurden bis zu 200 Jahre altes Museumsmaterial mit frisch gesammelten Proben verglichen, um die Verteilung der genetischen Linien zu untersuchen. Die Ergebnisse legen nahe, dass P. csikii, P. marsilii und zwei Unterlinien von P. lumaireul natürlich vorkommen, während P. phoxinus und eine weitere Unterlinie von P. lumaireul eingeschleppt wurden.
Die erstaunliche Artenvielfalt der Gattung Phoxinus wurde durch die Verwendung von zwei mitochondrialen Genen ans Licht gebracht, was einmal mehr die Möglichkeiten von Barcoding zeigt. Dennoch hat die Methode auch Limitierungen, die oft unterschätzt werden. So bietet das Barcoding-Gen nur einen ersten Einblick in die Evolutionsgeschichte, der erst mit nuklearen Markern untermauert werden muss. Außerdem würde ein reduziertes Sampling, wie es im Rahmen eines Barcoding-Projekts durchgeführt wird, nicht ausreichen, um die gesamte Diversität von Phoxinus zu erfassen. Einerseits braucht es mehr Referenzdaten um die nahe verwandten Arten P. lumaireul und P. csikii zu unterscheiden. Andererseits hat P. marsilii seinen westlichsten Verbreitungspunkt in der Umgebung von Wien und damit eine sehr eingeschränkte Verbreitung in Österreich, die mit einem kleinem Sampling leicht übersehen hätte werden können. Schließlich wäre es aufgrund der häufig nachgewiesenen anthropogenen Verschleppungen schwierig, zwischen natürlicher und vom Menschen verursachter Verbreitung zu unterscheiden. Barcoding kann also durchaus als erster Schritt in der Erfassung der Diversität eingesetzt werden, jedoch kann es eingehende taxonomische Untersuchungen nicht restlos ersetzen.

Projektteam
Anja Palandačić
Luise Kruckenhauser
Harald Ahnelt
Ernst Mikschi
(Naturhistorisches Museum Wien)
Projektstatus: aktiv
Publikationen:
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